Einmal ganz pauschal gefragt: Was muss man grundsätzlich beachten, wenn man Streuobstbäume richtig pflegen will?
Die wichtigste Regel ist ganz klar: Nicht einfach drauf los schneiden. Oft machen Anfänger den Fehler, dass sie den Bäumen sofort mit Schere und anderem Werkzeug zu Leibe rücken. Dabei es essentiell, zuerst eine Bestandsaufnahme zu machen. Dabei schaut man sich an, was für einen Baum man da vor sich hat: Ist er schon älter oder wurde erst erst vor Kurzem gepflanzt? Wurde er bisher immer gepflegt oder eher vernachlässigt? Wenn man all diese Fragen beantwortet hat, entscheidet man sich, welche Schnitttechnik man anwendet – Pflanz-, Erziehungs-, Erhaltungs- oder Verjüngungsschnitt heißen hier die Optionen. Und erst dann macht man sich tatsächlich an die praktische Arbeit.
Jedes Jahr wird im Rahmen der Streuobstpflegetage auch die „Streuobstsorte des Jahres“ gekürt. Was hat es damit auf sich?
Die „Streuobstsorte des Jahres“ ist eine Sorte, auf die wir besonders aufmerksam machen wollen. 2019 hat der Öhringer Blutstreifling, eine Apfelsorte, das Rennen gemacht.
Wie bei allen vorherigen „Streuobstsorten des Jahres“ handelt es sich dabei um eine Lokalsorte aus Baden-Württemberg. Zu den meisten Sorten, die wir bisher gekürt haben, gibt es auch eine Geschichte zu erzählen. Eine Apfelsorte mit dem Namen Jakob Fischer, die 1998 als erste „Streuobstsorte des Jahres“ prämiert wurde, ist ein gutes Beispiel dafür. Die hat ein Bauer – Jakob Fischer – in einem Wald im Landkreis Biberach entdeckt.
Gibt es daneben andere Entscheidungsgrundlagen?
Natürlich ist nicht nur die Geschichte der Sorte wichtig: Bei den „Streuobstsorten des Jahres“ handelt es sich auch immer um solche, die heutzutage in Vergessenheit geraten und eventuell sogar gefährdet sind.
Also geht es bei den Streuobstpflegetagen auch darum, auf gefährdete Sorten aufmerksam zu machen?
Definitiv: Die beiden zentralen Ziele sind der Sortenerhalt und die Baumpflege. Da gehört es natürlich erst mal dazu, dass man auf die momentane Situation aufmerksam macht. Dabei darf man auch nicht vergessen, wie viel die Obst- und Gartenbauvereine vor Ort schon leisten. Aber danach wollen wir noch einen Schritt weiter gehen und die Menschen motivieren, selbst nach draußen zu gehen und sich um die Streuobstwiesen zu kümmern. Denn dass diese schützenswerte Kulturlandschaft erhalten werden muss, steht außer Frage.
Und wie schafft man es, jemanden, der sich bislang vielleicht noch überhaupt keine Gedanken über die Streuobstpflege gemacht hat, plötzlich dafür zu motivieren?
Mit den Streuobstpflegetagen verfolgen wir einen ganz klaren Ansatz: Wir zeigen den Menschen, welche Vorteile es für sie haben kann, eine Streuobstwiese zu betreuen. Durch den Austausch mit anderen, die sich bereits in der Streuobstpflege engagieren, sehen noch Unerfahrene, wie viel Spaß das Ganze macht. Außerdem erntet man ja im wahrsten Sinne die Früchte seiner Arbeit in Form von Obst, aus dem man Dörrobst, Most und vieles mehr machen kann.
Hat dieser Ansatz sich als erfolgreich erwiesen?
Bisher haben wir damit gute Erfahrungen gemacht. Vor allem ist es schön zu sehen, wie sich die Erfahrenen und die Unerfahrenen gegenseitig motivieren. Außerdem steht fest: Mit diesem Ansatz bedient man sich nicht des erhobenen Zeigefingers, zu dem man sonst so oft tendiert. Das ist gut, denn ein erhobener Zeigefinger allein nützt noch gar nichts.
Die Fragen stellte Helen Moser.
Foto: Angela Hammer